3. Dezember 2024

“Als Bildhauer hat Jos Pirkner zum Stein eine vertraute Beziehung”, erzählte uns Günther Stecher, der Steindrucker aus Affenhausen. Alles andere wäre auch fatal gewesen, denn der Osttiroler Künstler war heuer berufen, die Afra-Lithographie auf Stein zu zeichnen. 16 Farben, 16 Steine. Jede Farbe braucht eine Druckplatte.  Einer dieser Druck-Steine wiegt 500 Kilogramm. Sechszehn dieser schweren 500-Kilo-Steinplatten wurden im PKW von Affenhausen nach Tristach bei Lienz gebracht. In das Atelier des Meisters. Pirkner war beschäftigt. Was er anpackt, wird zur Kunst. Von ihm ist die Bronze-Skulptur der 14 Stiere, im vollen Lauf. Aus 40 Tonnen Lehm hat Pirkner die wohl größte Skulptur Europas von Hand geformt. Sechs Jahre hat er dazu gebraucht. Eine Auftragsarbeit jenes Salzburger Konzerns, der den Bullen im Firmennamen trägt.

Der 86-jährige Pirkner hat für Red Bull, am Fuschl-See bei Salzburg, Gebäude, Garten und Kunstwerke bis ins kleinste Detail geplant und umgesetzt. Zentrum sind zwei innen offene Gebäude in Vulkanform – und die schon erwähnte 22,5 Meter lange bronzene Bullenherde.

Für diese Arbeit baute Jos Pirkner sein Atelier in Tristach um.  Darauf angesprochen sagt er „Ja, das stimmt alles und es ist auch die größte Bronze in Europa. Der Chef der Gießerei Hermann Noack in Berlin hat gesagt, er habe noch nie so etwas Großes gegossen. Der muss es wissen. Die Firma existiert ja immerhin schon seit 200 Jahren.“

Im vergangenen Monat richtete Red Bull für Pirkner ein großes Fest am Fuschl See aus. Dem künstlerischen Architekten der Verwaltungszentrale des Konzerns von Dietrich Mateschitz. Jos Pirkner arbeitet gerne für den Milliardär. „Da gibt es keine Budgetvorgabe“. So lasse sich arbeiten.

Aus dem Vollen zu schöpfen war bei den Pirkners früherer Jahre nicht möglich. In seine Biografie lässt Jos Pirkner schreiben: „Inmitten der Zerstörung und Armut der Nachkriegsjahre haben mir meine Eltern eine künstlerische Ausbildung finanziert. Wo Brot knapp ist, hat Kunst keinen Stellenwert. Dennoch haben mir meine Eltern geraten, meinen Weg zu gehen, ebenso wie Jahre später der holländische Maler Charles Eyk, den ich in Amsterdam kennenlernte. Inmitten der Zerstörung und Armut der Nachkriegsjahre haben mir meine Eltern eine künstlerische Ausbildung finanziert.“

Günther Stecher sagt, „Pirkner ist Perfektionist“. Die neue Herausforderung, mit Tusche auf Stein zu malen reizte ihn. Die  Vorlagenzeichnung zur 11. Afra-Lithographie entstand in seinem Atelier in  Tristach.

Für den Bildhauer Jos Pirkner war solch filigranes Arbeiten am Stein neu. Sein künstlerisches Schaffen widmet er in der Häufigkeit der Monumental-Skulptur aus Stein oder Bronze.

Beim  11. Afrafest im August dieses Jahres wurde die erste Pirkner-Lithographie “Drei Frauen” öffentlich präsentiert. Nun hängt eine dieser wertvollen Lithographien auch bei mir daheim. Günther Stecher brachte mir “meinen Pirkner” persönlich vorbei und hängte ihn auch gleich auf. Ein besonderer Service “…für den Freund mit den zwei linken Händen.”

Das Blatt wurde im Bildformat 420 x 500 Millimeter signiert, nummeriert und in einer Auflage von 120 Exemplaren auf Büttenpapier in 16 Farben vom Stein gedruckt. Das Motiv der “Drei Frauen” wurde im Osttiroler Atelier von Jos Pirkner mit Tusche auf jeden einzelnen Stein gezeichnet und in der Steindruckerei Stecher & Stecher Blatt für Blatt auf der alten Reiberpresse von Hand gedruckt. Für die Affenhausener Steindrucker Walter und Günther Stecher war das vielleicht auch eine der bislang größten Herausforderungen. Man braucht es sich einfach nur vorzustellen. Für jede Farbe gibt es einen Stein. Das alles ist für den Laien kaum begreifbar und macht die vom Stein gedruckte Lithographie auch so wertvoll.

Der Steindruck gilt als Königsdisziplin aller graphischen Drucktechniken. Erfunden Ende des 18. Jahrhunderts. Künstler wie Toulouse Lautrec, Chagall, Miró oder Picasso machten die Lithographie weltberühmt. Kreide, Feder- und Pinselzeichnungen, bis hin zur Gravur sind beim Steindruck möglich. Nach dem Druck werden die Steinplatten abgeschliffen. Jede signierte und nummerierte Lithographie ist deshalb einmalig.

Jos Pirkner hat der Anfrage aus Affenhausen gleich zugestimmt, sich ehrenamtlich in den Dienst der Afra-Benefiz-Idee zu stellen. „Er hat spontan angefangen zu malen. Als Bildhauer hatte er natürlich keine Angst vor dem Medium Stein“, berichtet Günther Stecher.

Hunderte Besucher waren dabei, als dann bei der Afra-Kapelle in Affenhausen die diesjährige Benefizlithographie zugunsten der Tiroler Frauenhäuser und der Aktion „Frauen helfen Frauen“ präsentiert wurde. Ursprünglich von der Familie Stecher als einmalige Aktion geplant, sind die Einnahmen der Afra-Lithographien inzwischen eine feste Größe in der Budgetplanung der Tiroler Frauenhäuser. Über 260-tausend Euro konnten bislang insgesamt überreicht werden. In diesem Jahr könnten ca. 30.000 Euro dazu kommen. Bilanziert wird später. Üblicherweise wird im Rahmen einer Weihnachtsfeier im Dezember die Geldspende überreicht.

“Wir haben schon alle Lithographien von Jos Pirkner verkauft”, sagt Günther Stecher. Noch immer sei die Nachfrage ungebrochen groß. “Das Bild ist eine gelungene Gesamtleistung von Künstler und Handwerkern”. So einfach bewertet Günther Stecher den Erfolg der Lithographie “Drei Frauen”. Für den Betrachter hat das Kunstwerk einen hohen Wert, weil es fasziniert. Das Motiv, die Zeichnung, die Farben – da passt alles zusammen.

Nachdem Günther Stecher bei mir daheim das Werkzeug zur Seite legte, nahm er sich noch die Zeit, etwas zur Geschichte dieser Lithographie zu erzählen. Die erste Lithographie war noch 12-farbig. So wurde sie in den bereits gedruckten Einladungen auch beschrieben. “Das war ja schon vom künstlerischen und handwerklichen Arbeitsaufwand keine Kleinigkeit. Der dominierende farbliche Hintergrund der Lithograhie war überwiegend hell. Wir standen in den Startlöchern zum Drucken. Da kam Jos Pirkner der Gedanke, doch mehr farblichen Ausdruck in den Hintergrund zu geben. Aus 12 wurden kurzerhand 16 Farben”. Für jede Druckfarbe wird ein eigener Stein bezeichnet. Gedruckt werden Kleinauflagen üblicherweise auf hochwertigem Büttenpapier. Der Druckträger, also der Stein, ist ein „Solenhofer Plattenkalkstein“. Ein schiefrig gelagerter Kalkstein. Den bekommt man im Jura-Dreieck bei Ingolstadt. Zwischen Donauwörth, Solenhofen und Kelkheim.

Man lerne sich gut kennen, in den Wochen des gemeinsamen Arbeitens. Günther Stecher: “Für uns alle geht es immer um das künstlerische Ziel. Höchste Qualität ist der Anspruch. Dabei dürfen rationale Empfindungen keine Rolle spielen”. Selbst wenn der Zeitdruck am Ende immer belastender wird. Der Termin für die Präsentation steht unverrückbar fest. Auch wenn Günther und Walter Stecher in der Endphase fast Tag und Nacht druckten, der Zeitdruck lastet schwer. Schließlich ging es ja auch um eine unverrückbar außerordentliche Leistung. “Die Farben müssen bei allen Lithographien passen. Das ist vielleicht für uns Drucker der schwierigste Part des Arbeitens”. Bei Stechers wird alles von Hand gemacht. Auch die Farbzusammenstellung.

Der Künstler setzt auf dem geschliffenen und entsäuerten Stein seine Kunst um. Anschließend wird der Stein durch eine Mischung aus Gummiarabicum und Salpetersäure für den Druck präpariert. Ein Stein, für jede Druckfarbe.

Bevor der Künstler jedes Blatt handschriftlich mit seinem Namenszug signiert und nummeriert, gehen die Druckwerke durch eine strenge Qualitätskontrolle. Dabei wird allen höchste Konzentration abverlangt. “Aber auch beim Signieren kommt es vor, dass dem Künstler Fehler unterlaufen. Dann ist die Lithographie wertlos geworden. Sie muss vor aller Augen zerstört werden”.

“Wir wollen das fast schon ausgestorbene Steindruckverfahren wieder zum Leben erwecken”. Günther und Walter Stecher werden diesen Weg weiter gehen. Für die meisten Künstler war und ist die Arbeit am Stein ungewohnt und deshalb so interessant.

Fotos: Knut Kuckel

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Knut Kuckel

Ich engagiere mich für Medienvielfalt und Qualität im Journalismus. In meinen Blogs schreibe ich u.a. auch über Begegnungen und persönliche Erlebnisse.

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