18. März 2024

Hat die Kuh Charakter? – „Ja. Und die Kuh vergisst nie“

Die Bauern sind einer Meinung - sie sagen "Ja, die Kuh hat Charakter", Foto: Knut Kuckel
Die Bauern sind einer Meinung - sie sagen "Ja, die Kuh hat Charakter", Foto: Knut Kuckel
"Wenn Du dem Kalb viel Zeit widmen kannst, zahlt sich das ein Leben lang aus", sagt Ortsbäuerin Barbara Spielmann. "Die intensivere Beziehung zwischen Mensch und Vieh beginnt so früh wie möglich". Jede Kuh, jedes Vieh hat seinen eigenen Charakter.

Mit dieser Feststellung stimmten unsere Bauern überein und – „Ja!“ – die Kuh hat Charakter. Das sagen alle, die davon etwas verstehen. „Hat die Kuh mal eine schlechte Erfahrung gemacht“, vergisst sie das nie, sagt Jungbauern-Obmann Michael Wallnöfer. „Ich rede mit meinen Viechern und bin mir sicher, dass sie mich verstehen“. Exklusiv in Mieming-Online: Eine kleine Charakterstudie der Kuh.

„Das Vieh hat ein gewaltiges Erinnerungsvermögen“, erzählt der Felderer Almmeister Klaus Scharmer. „Verletzt es sich zum Beispiel im Viehtransporter, bringst Du es nie wieder freiwillig in einen Hänger hinein“. Zu allen meinen Tieren habe ich einen guten und sehr persönlichen Bezug. „Das ist schon vergleichbar einigermaßen familiär, wenn Du so willst“, sagt der Klaus. Ich spüre, wenn du die Bauern über ihr Vieh reden hörst, wirst du das Gefühl nicht los, sie redeten über ihre ganz große Liebe.

Jede Kuh hat ihren eigenen Charakter. Das bestätigen dir alle Bauern und attestieren ihrem Vieh, davon einmal abgesehen, hoch sensibel zu sein. „Der Vergleich zum Menschen, ist dabei nicht so weit hergeholt“, meint Michael Wallnöfer. Es gebe die ruhigeren Charaktere und die „Dynamiker“. „Manche sind im Umgang mit dem Menschen hart im Nehmen, andere wiederum scheu und bisweilen auch schreckhaft. Je länger Du aber mit den Tieren zusammen bist, umso stärker entwickelt sich ein Kuh-Mensch-Verhältnis“.

Almmeister Klaus Scharmer: „Bis Mitte Juni wird unser Vieh auf den Vorberg geführt. Das ist unsere „niedere Alm“ in Obermieming. In dieser Zeit müssen sich unsere Tiere wieder an das Leben in der Natur und an den Almhirten gewöhnen. Allzu viel Zeit bleibt ihnen dafür nicht. Die Beziehung zum Almhirt muss sehr gut sein“, das könne schon einmal, so der erfahrene Hochfeldern-Almobmann, „über Leben und Tod entscheiden“. Bevor der eigentliche Almsommer auf den Hoch-Almen beginnt, müssen sich deshalb alle Tiere an ihren Sommer-Chef gewöhnt haben. Aber wie macht man das, unter solchem Zeitdruck? Diese Frage geht an die Mieminger Ortsbäuerin Barbara Spielmann. Barbara gewährt uns mit ihrer Antwort einen Blick hinter die Kulissen: „Auf den Punkt gebracht, mit Speck fängt man Mäuse“.

Die Ortsbäuerin kennt den Trick-Katalog ihres Almhirten. Der Kluckner Norbert gehe nie ohne seine Leder-Umhängetasche zu den Tieren. Darin lagert er ein trockenes Gras-, Salzfutter-Gemisch. Die Inhaltsstoffe sind im wesentlichen Jodiertes Viehsalz, Kleie, Gras und ein wenig Kraftfutter. „Für die Tiere geschmacklich ungefähr so verführerisch wie für uns Menschen feinste Schokolade“, erklärt Barbara Spielmann. Darin enthalten sind auch Kraftfutterstoffe, aber im Grunde „ist das ein sogenanntes Lockfutter-Präparat“. Hauptbestandteil ist Kleie. Die Kleie bleibt bei der Getreide­verarbeitung nach Absieben des Mehles zurück und ist sehr nährstoffreich. Wir Menschen essen sie auch. Ballaststoffe wie die Kleie sind gut für den Stoffwechsel.

Almhirt Norbert Kluckner zeigt uns, wie das mit dem Lockfutter funktioniert. Er ruft das Vieh und verteilt es an seine Schützlinge. „Das funktioniert immer“, sagt der erfahrene Alm-Hirt. „Mit meinem Ruf, verbinden sie die Aussicht auf das Zwischendurch-Leckerle“.

Wir werden von drei zutraulichen Jungkühen umkreist. „Sind das nicht Mira, Victoria…“ und „…Pamela“, ergänzt Norbert Kluckner. Die gepflegten und bilderbuchschönen braun-weiß gescheckten vom Scharmer Klaus. Während unserer Foto-Arbeiten haben wir zu fast allen Kühen ein gutes Vertrauensverhältnis aufbauen können. Die Braun-Weißen, vom Felderer-Almmeister, wichen uns nie von der Seite. Hatten Spaß an ihrem Assistenz-Job und leckten gelegentlich auch mal das Objektiv sauber. Ehrenamtlich.

Kühe sind verspielt. Und keineswegs „schwerfällig und dumpfbackig“ wie der nicht wissende Volksmund überflüssigerweise schon mal zum Besten gibt. Am südwestlichen Vorberg, Richtung Wildermieming, gibt es eine Bank. Marke „Leichtbau“. Daran reiben sich die Viecher gerne. Dann fällt sie um, die kleine Bank. Wieder aufgerichtet, beginnt so etwas wie „Mensch ärgere dich nicht“ für Rindviecher. Die Kühe kommen, schauen sich die Bank an. Schnuppern, schnüffeln und stoßen sie wieder um. Wieder aufgestellt, beginnt das Spiel von Neuem. Das kleine Spiel zieht mehr und mehr Kühe an. Alle möchten mitspielen. Unsere Fotos belegen, dass Kühe das sehr mögen.

Hintergrundwissen: Das weibliche Rind wird erst dann als Kuh bezeichnet, wenn es ein Jungtier auf die Welt gebracht hat. Das Jungtier nennt man Kalb.

Themawechsel. Kühe haben einen täglichen Flüssigkeitsbedarf von ca. 80 Litern. Einen Großteil davon nehmen sie auf direktem Weg über das verspeiste Gras zu sich, den Rest über das Quellwasser am Brunnen. „Wie schaffst Du es, dass sie alle in Richtung Quelle gehen?“, frage ich Almhirt Norbert Kluckner. „Eine läuft in die empfohlene Richtung und all‘ die anderen folgen ihr??“ . „Ja. So funktioniert die Angelegenheit. Das ist der angeborene Herdentrieb“, sagt er. Kühe, Kälber, Rinder – alles sind Herdentiere. „Von ihrem Herdeninstinkt hängt auf der Alm, im Hochgebirge, mitunter das Überleben ab“.

Dann zupft er an meinem Ärmel: „Schau, das Kalb ruft seine Mutter“. – Jetzt sind es schon zwei Kälber, die ihre Mutter brauchen. Die Mutter naht und gibt den beiden Kälbern zur gleichen Zeit ihre Milch. Das nennt man „wesensgerechte Milchviehhaltung“.

Hintergrundwissen: Nach etwa drei Tagen erkennen sich Muttertier und Kalb gegenseitig an der Stimme, und die Kuh kann ihr Kalb von allen anderen Kälbern schon allein am Geruch erkennen.

Norbert Kluckner führt exakt Buch über seine Neuzugänge. Zurzeit sind schon über 80 Tiere am Kälberriegel beim Bauernhof vom Post Hannes angekommen. Der Kälberriegel ist der Vorberg der Obermieminger Viehbauern. Anderenorts spricht man auch von der „Niederen Alm“.

Das Glockenspiel der Tiere ist in diesen Tagen eine akustische Attraktion am Fuße der Mieminger Berge. Bis Mitte Juni werden es ca. 250 Stück Vieh sein. In der Regel Jungvieh. „Wir sind heuter mit 22 Jungtieren dabei“, sagt Barbara Spielmann. „Und zwei bis drei trockenen Kühen“. Das sind Kühe, die in ihrem Stallalltag Milch liefern.

Hintergrundwissen: Ein 1/2 Liter Milch deckt zu 54 Prozent den Tagesbedarf an Nährstoffen eines Jugendlichen ab.

„Bis Mitte der Woche sind die meisten Bauern mit der Heumahd oder ihren Feldern beschäftigt“, informiert Klaus Scharmer. „Ab Donnerstag/Freitag dieser Woche rechnen wir mit einem Wetterwechsel. Bis dahin muss das Heu eingebracht sein. Dann haben wir wieder die Zeit, neues Vieh auf den Vorberg zu treiben“. Das sei mit viel Arbeit verbunden, erfahren wir. Die Tiere müssen auf die Alm vorbereitet werden. Auch medizinisch. Unter anderem wird jedes Tier vorbeugend gegen Zeckenbisse geimpft.

Unter „Heumahd“ versteht der Experte übrigens im allgemeinen die erste Heu-Ernte des neuen Jahres. Das Heu ist wichtigster Bestandteil des Viehfutters. Trocken oder als Silage gereicht. Im Lehrbuch angehender Bauern heißt es, „Heu ist die getrocknete Biomasse von Gründlandpflanzen“.

Die Barwieser Bauern werden heuer ca. 240 Stück Vieh auf ihre Marienberg-Alm führen. „Der Barwieser Vorberg sind die Oberen Wiesen rund um das Kohlplatzl“, sagt Jungbauern-Obmann Michael Wallnöfer und lädt uns ein, in dieser Woche die Alm zu besuchen. „Auch unsere Vorbereitungen laufen jetzt auf Hochtouren“. Wir nehmen die Einladung dankend an und verabreden uns unverbindlich für den kommenden Mittwoch.

Quelle: Almenland Miemingerberg

Fotos: Knut Kuckel

Google uns... - Mieming.online

Knut Kuckel

In meinem Blog schreibe ich über das Landleben im alpinen Raum. Über Erlebnisse und Begegnungen.

Alle Beiträge

Aktuelles

Meistgelesen

Timeline