19. März 2024
Begeisterte Zuhörerinnen und Zuhörer beim "Dorfgespräch im Atelier". Uschi und Didi Tiefengraber freuten sich mit den Veranstaltern über ein volles Haus. Wilhelm Zimmermann (aus Wildermieming) und Siegfried Köll (Mieming) im Gespräch mit Erich Ledersberger.

Hätte Wilhelm Zimmermann sein Geburtsdatum auswählen können, wäre er vermutlich heute 15 Jahre jünger. Er konnte es sich nicht aussuchen. Als der heute 85jährige 1932 zur Welt kam, waren das unruhige Zeiten. Die Nationalsozialisten waren auf dem Vormarsch und gewannen erste Landtagswahlen in Niederösterreich, Salzburg und Wien. In Innsbruck forderte eine, von SA-Leuten angezettelte Massenschlägerei, ein Todesopfer. Und das Landleben war geprägt von Verzicht. Vielleicht ging es den Menschen auf den Dörfern ein wenig besser als den Stadtlern. Aber auch in Wildermieming wurden die Lebensmittel knapp. Wilhelm Zimmermann „Wir mussten mit dem auskommen, was der Boden hergab.“ Das Land wurde nicht mehr so bestellt, wie es sonst üblich war. „Viele waren im Krieg, in Gefangenschaft oder verloren in dieser Zeit ihr Leben.“

Sieben Jahre nach Wilhelm Zimmermann nahm Siegfried Köll erste Kontakte mit dem Leben auf. Zwischenzeitlich kamen die Nationalsozialisten in Österreich an die Macht. Als Siegfried eingeschult wurde, war der Spuk schon so gut wie vorbei. Seine Kindheit war ebenfalls entbehrungsreich, aber insgesamt doch sehr vergnüglich. Im Alter von sechs Jahren wurde er in Roppen eingeschult. Nach der 6. Volksschul-Klasse wechselte Siegfried Köll auf das Leopoldinum nach Hall. Zum Essen mussten die Gymnasiasten damals sogenannte öffentliche „Kostplätze“ aufsuchen. Siegfried wohnte nicht im Internat, sondern bei einem „alten Herrn“ in Innsbruck, der sich – wie viele andere Gleichgesinnter aus den Studentenvereinigungen – um die Förderung des akademischen Nachwuchses kümmerte. „Der Einfluss der Franziskaner zeigte Wirkung. Ich wollte Priester werden, habe mich später aber für den Lehrerberuf entschieden.“

Wilhelm Zimmermann und Siegfried Köll verbindet in gleicherweise das musikalische Talent. Beide spielen die Klarinette. Der Wilhelm war 1950 einer von 30 Mitbegründern der neuen Musikkapelle Wildermieming. An die Zeit des Aufbruchs würden sich noch alle lebenden Zeitzeugen erinnern. „Das, mit der Neugründung, hat solange gedauert, weil unser Kapellmeister – Roman Gapp – erst so spät aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrte. Während der Kriegsjahre ruhten die Aktivitäten der Musikkapelle. „Aber nach der Neugründung haben wir fast täglich geübt. Sicher weit über 160 mal im Jahr. Ausrückungen standen noch nicht auf dem Plan. Wir mussten erst wieder ein Repertoire aufbauen.“

Und wie ging’s zu der Zeit dem Siegfried? Der wurde schon als Gymnasiast Mitglied der „Militärmusik Tirol“. Aber das war nicht von langer Dauer. „Das Militärische passte nicht so recht zu meiner Lebensplanung“, lässt er seine Zuhörer wissen.

Der Schüler Wilhelm Zimmermann fuhr nach Telfs zur Schule. „Meine Eltern wollten das nicht, aber es ging nicht anders. Damals hatten alle Angst vor den Angriffen amerikanischer Flieger. Nur nicht wir Schüler, wir freuten uns. Denn bei Fliegeralarm war schulfrei.“ Wilhelm erzählte, zu jener Zeit hörte man auf den Straßen, zwischen Imst, Telfs und Innsbruck, viele fremde Sprachen. Vor allem Englisch, Französisch und Russisch. Nach der Schulzeit lernte Wilhelm den Beruf des Hufschmieds. In Innsbruck besuchte er die St. Nikolaus-Berufsschule. „Auf den Feldern wurden noch Wagen mit Eisenrädern eingesetzt. Erst ab 1954/55 ging es mit der Landtechnik aufwärts. Überall halfen noch Pferde bei der Feldarbeit. Die Hafeles hatten in Wildermieming den ersten Traktor“, erinnert sich Wilhelm Zimmermann.

„Da war wenig Zeit, für Vergnügungen?“ fragte Erich Ledersberger nach. „Wir haben gearbeitet. Frei war nur am Sonntag. Der Sonntag war uns allen heilig. Aber das galt nicht für den Sommer. Denn da wurde an jedem schönen Tag die Ernte eingefahren. Auch sonntags. Und wenn wir mal ins Gasthaus gingen, fingen wir hier oben beim Stern-Wirt an und haben uns dann im Dorf weiter nach unten gearbeitet.“

Ledersberger hakt nach und erfährt, dass im Kino überwiegend Heimatfilme liefen und im Gasthaus schon mal die „Die Caprifischer“ zu hören waren. Seine spätere Frau lernte er auf einer Busfahrt nach München kennen. Keine Frage – an den Tag erinnert sich Wilhelm Zimmermann noch so als wär’s erst gestern gewesen: „Los ging’s um 5 Uhr früh, in Innsbruck.“

„In Ö1 habe ich gehört, dass die Leute früher mehr Humor hatten als heute?“ – Wilhelm Zimmermann bestätigt die Nachfrage von Erich Ledersberger. „Ja, früher hat man wohl mehr gelacht als heute. Das hat einen einfachen Grund, denn früher redete man noch mehr miteinander.“

Erich Ledersberger bringt das Gehörte auf den Punkt: „Also – ihr habt noch richtig miteinander geredet? Nicht (wie heute) über SMS oder WhatsApp?“ – Es wird gelacht.

Siegfried Köll spürte schon in jungen Jahren, dass er für die Musik in überdurchschnittlicher Weise talentiert war. Nach der Matura ging es aber erst einmal auf die Lehrerbildungsanstalt in Innsbruck. 1962/63 folgte seine erste Anstellung als Lehrer an der Hauptschule Ötz. Im Folgejahr wurde Siegfried Köll Schulleiter der Volksschule Huben. „Die haben einen Kapellmeister gesucht. So kam es, dass der junge Pädagoge Siegfried Köll in der Ötztalgemeinde Kapellmeister und Chorleiter wurde. „Wer was von Musik verstand, kam damals rasch weiter. Früher waren es noch die Lehrer, die die Musikkapellen und Chöre leiteten“, so Köll.

„Unterrichtet habe ich alles, was die anderen nicht machten. Nach Huben kamen sechs Lehrer- und Kapellmeisterjahre in Silz. „Wir haben vor allem Marschmusik und Walzer gespielt. Mehr noch nicht. Anders war das später in Mieming. Mit 30 war ich wohl damals der jüngste Hauptschuldirektor in Tirol.“

„Wie unser nächster Bundeskanzler…“, bemerkte Erich Ledersberger. Der gebürtige Wiener war Lehrer und arbeitet heute überwiegend als Schriftsteller. Schrieb u.a. viele Stücke für den ORF und für das Theater.

Siegfried Köll leitete 22 Jahre lang die Musikkapelle Mieming, 18 Jahre den Kirchenchor und mehr als 30 Jahre war er Chorleiter der Mieminger Sänger. „Heute spiele ich fast nur noch Harfe und Geige. Klarinette geht nicht mehr.“ Wilhelm Ziemmermann spielt noch Klarinette. „Eine Viertelstunde am Tag geht noch.“

Beim „Dorfgespräch“ im Atelier Tiefengraber in Wildermieming ging es hin und her. Jemand sagte anschließend, „das war Unterhaltung pur“. Gesprochen wurde über Vieles. Woher kommt der Ortsname „Affenhausen“? Hieß Wildermieming schon immer „Wildermieming“? – Thema war auch die Landwirtschaft – früher und heute. Man tauschte sich aus. Diskutierte den Begriff „Unterhaltung“. Dabei ging es um Blasmusik und die populäre Volksmusik. Wie die, der legendären Tiroler Volksmusikgruppe „Die Knödel“ (aktiv von 1992 bis 2000). Bei denen spielte Siegfrieds Nichte Margret Köll mit. Die außerordentlich begabte Harfinistin spielte übrigens auch bei der Eröffnung der Hamburger Elbphilharmonie am 11. Januar dieses Jahres mit. Aber das ist ein anderes Thema.

Maria Thurnwalder und Matthias Fink organisierten das „Dorfgespräch im Atelier“ im Rahmen ihrer schon sehr erfolgreich verlaufenden Veranstaltungsreihe „Zeitfenster“. Mit Erich Ledersberger, der als Moderator bei den Tiefengrabers kein Unbekannter ist, traf man eine gute Wahl. Seine unaufgeregte und einfühlsame Art der Gesprächsführung, kam bei allen Gästen sehr gut an. Auch ohne Mikrofon und Verstärker.

Uschi und Didi Tiefengraber waren einmal mehr hervorragende (weil) zugewandte Gastgeber. Ihr Atelier hat schon lange – über die Kunst- und Kultur-Szene hinaus – den Ruf eines ausgesprochen stimmungsvollen Veranstaltungsortes.

Unter den Gästen sahen wir unter anderem Pfarrer Albert Markt sowie die Bürgermeister der Gemeinden Mieming und Wildermieming, Dr. Franz Dengg und Klaus Stocker.

Quelle: Grenzgänger #tirolbayern

Fotos: Knut Kuckel

Weblink: Atelier Tiefengraber

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Knut Kuckel

In meinem Blog schreibe ich über das Landleben im alpinen Raum. Über Erlebnisse und Begegnungen.

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